Band 1 der Reihe „comediantes Doppelpack

vereint satirische und humoristische Kurzgeschichten von zwei Autoren, die sich – jeder auf seine Weise – als Weltverbesserer verstehen, ihre Sichten aber dem Leser unaufdringlich und amüsant nahebringen.

 

Die erste Hälfte dieses Bandes trägt den Untertitel

 

Vom Intelligenzquotienten einer Rolltreppenstufe.

 

Autor Max Werner kann sich bei den skurrilen Erlebnissen mit seiner Frau, die allesamt auf Tatsachen und wahren Begebenheiten beruhen, ebenso wie bei seinen „Heidelbeervorlesung“ auf ein langes akademisches Vorleben berufen. Der Mann meint es tatsächlich so, wie er es schreibt. Und das ist gut so! Was nicht heißt, dass der Leser alle daraus resultierenden Schlussfolgerungen für bare Münze nehmen sollte.

 

Die zweite Hälfte heißt schlicht und ergreifend

 

Flaschenpost.

 

Ihr Autor Jonathan Emilia Trotz ist und bleibt ein Mysterium. Wer oder was genau sich hinter dem Pseudonym verbirgt, konnte bis zur Stunde nicht abschließend geklärt werden. Sicher ist nur: Sein ziemlich schräges Weltraumabenteuer entbehrt jeglichen Wahrheitsgehalts! Vermutlich würde man derart wüste Phantasien einem kranken Hirn zuschreiben, käme einem dann nicht doch wieder das Eine oder Andere seltsam bekannt vor. Nun, es ist das Vorrecht der Satire, sich manchmal zwischen den Zeilen zu verstecken.   

Leseprobe

 

Sichere Informationen über das Bernsteinzimmer

 

Zu Hause. Ein Sofa im Wohnzimmer.

Meine Frau: „Du nervst.“

Ich: „Wieso? Ich sitz doch nur hier rum.“

Sie: „Eben! Wenn du hier so rumsitzt, das nervt.“

Ich: „Aha.“

Sie: „Könntest du nicht was Sinnvolles tun?“

Ich: „Was denn?“

Sie: „Staubwischen, kehren, Blumen gießen,

Geschirrspüler ausräumen, Keller aufräumen, …“

Ihre letzten Worte hörte ich nicht mehr, weil ich fluchtartig das Zimmer verließ. Ein Mann sollte ein-fach nicht bei seiner Frau im Wohnzimmer sitzen. Er sollte hinaus „ins feindliche Leben“, wie es früher so schön hieß. Die Welt retten. Oder wenigstens ein kleines Abenteuer bestehen. Denn eine Frau will stolz auf ihren Mann sein. Dann belästigt sie ihn auch nicht mit dem täglichen Kleinkram.

Stellte sich nur die Frage, wo auf die Schnelle ein Abenteuer hernehmen? Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und blätterte in den ungelesenen Zeitungen der letzten Woche. Unglaublich, was sich alles ansammelt, wenn ich mal ein paar Tage nicht zu Hause bin. Sehr viel Abenteuerliches stand freilich nicht drin. Ich blätterte weiter. Da traf es mich wie ein Blitz aus heiterem Himmel:

„Geheimnis des Bernsteinzimmers gelüftet!“

Der Bürgermeister einer kleinen Stadt im Erzgebirge gab sich gegenüber der Presse überzeugt, das legendäre Requisit aus Sankt Petersburg lagere in einem vermauerten Keller unweit seines Rathauses.

Hört, hört! Na das klang ja endlich nach einem Abenteuer. Ich wollte sofort losziehen und den Bürgermeister vor Schaden bewahren.

Denn, was bisher die wenigsten ahnen: Ich bin der einzig wirklich wahre Bernsteinzimmer-Geheimnis-Kenner der Welt! Als solcher weiß ich mit Sicherheit, dass dieses Geheimnis ganz schrecklich ist und seine Entdeckung unter allen Umständen verhindert werden muss.

Wenn Sie mir versprechen, die Sache für sich zu behalten und nicht breitzutratschen, bin ich bereit, Ihnen zumindest ein paar geheime Eckdaten zu erläutern. Das ist wichtig, damit Sie jetzt nichts Unüberlegtes tun und am Ende womöglich ins Erzgebirge reisen, um genau wie dieser unglückselige Bürgermeister nach dem Schatz zu buddeln.

Die Sache ist nämlich die: Alle Theorien über den Verbleib des legendären Zarenschatzes, die in den vergangenen zwanzig bis sechzig Jahren veröffentlicht wurden, haben einen Schönheitsfehler. Sie übersehen den entscheidenden Fakt. Halten Sie sich fest!

Es gibt mehr als nur ein Bernsteinzimmer!!!

Woher ich das weiß? Sagen wir mal so, diese Tat-sache erschloss sich mir im Zuge meiner Recherchen ganz zufällig von selbst. „Wer Augen hat, zu sehen, der sehe!“ Die Sache mit dem Bernsteinzimmer ist einem Puzzle nicht unähnlich. Ich habe die vorhandenen Teile einfach zusammengesetzt und das entstandene Bild lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Doch der Reihe nach.

Am Anfang glaubte ich, dass all die schmucken wertvollen Wandpaneele, Spiegelrahmen und Möbel-stücke von der Wehrmacht 1944/45 nach Königsberg verschleppt wurden. Fein ordentlich in Kisten verpackt, verbrannten sie ausnahmslos im Königsberger Schloss, als die Russen die Stadt einnahmen. Das war‘s. Es gibt genügend glaubwürdige Zeugen für diese Variante.

Dann aber kamen all die Schlaumeier, die mehr wussten. Augenzeugen, die teilweise höchstpersönlich dabei gewesen sein wollten. Die Kisten seien in den letzten Kriegstagen in die Alpen, nach Thüringen, ins Erzgebirge und weiß der Kuckuck wohin abtransportiert worden, wo sie bis heute in Kellern, Bergwerken, Erdlöchern, Bunkern und ähnlichem der Entdeckung harren. 

Als ich vor ein paar Jahren eine Zeit in Sachsen zu tun hatte, wurde ich unter der Hand mit jeder Menge geheimer Daten und Fakten konfrontiert. Bis heute habe ich Kontakt zu mindestens vier absolut zuverlässigen Informanten, die mir versicherten, „einhundertprozentig“ zu wissen, wo die Kleinode lagern. Ihnen fehle lediglich der handfeste Beweis. Wenn sie den hätten, wäre ich jedoch der erste, der informiert würde. Fein. Der Haken:

Alle vier Verstecke befinden sich an völlig unter-schiedlichen Stellen. Und das allein im Westerzgebirge! Der Keller des oben erwähnten Bürgermeisters ist das fünfte sichere Bernsteinzimmer-Versteck der Gegend. Dazu kommen zwei im Osterzgebirge, zwei in Tschechien, ein bis zwei in Thüringen und wie viele es in den Alpen gibt, weiß ich nicht genau.

Was heißt das? Ganz einfach. Außer dem verbrannten Exemplar und dem nachgebauten, das die Russen mittlerweile wieder in Sankt Petersburg aufgestellt haben, muss es gut und gerne zehn weitere Bernsteinzimmer geben! Denn an der Seriosität meiner Informanten und all der anderen Kenner der Materie gibt es definitiv nichts zu deuteln.

Sind Sie sich der Tragweite meiner Worte bewusst? Nicht? Dann muss ich es Ihnen erklären. Bitte stellen Sie sich vor, dass alle Bernsteinzimmer-Sucher, die ja immerhin ganz genau wissen, wo sie suchen müssen, plötzlich fündig werden? Stellen Sie sich vor, dass auf einmal das Offensichtliche zutage tritt und diese Leute der Öffentlichkeit sage und schreibe zehn originale und absolut identische Bernsteinzimmer präsentieren. Was dann? Ich sage es Ihnen. Es gibt nur zwei Möglichkeiten:

Erstens, irgendwo auf der Rückseite der Paneele und Rahmen entdecken neunmalkluge Sachverständige einen kleinen Aufdruck: Made in China. Ganze Lebenswerke wären über Nacht zerstört. Ich bin überzeugt, alle vier meiner Informanten und vermutlich auch der erwähnte Bürgermeister würden sich das Leben nehmen. Die Schmach ertrügen sie nicht.

Zweitens, alle Funde sind wirklich echt und aus echtem Ostseebernstein. Das wäre dann so ungeheuer viel Bernstein, dass sein massiver Preisverfall den Weltmarkt zusammenbrechen ließe. Das zöge an der Börse weite Kreise. Andere Branchen folgten und urplötzlich steckten wir in der nächsten großen Wirtschaftskrise. Millionen Menschen rund um den Globus würden arbeitslos! Ist das zu verantworten? Nein.

Mal ganz zu schweigen davon, dass die Russen ihr neues Bernsteinzimmer nach mühevoller jahrelanger Puzzelei in die Tonne treten könnten. Wenn künftig in jedem Heimatmuseum des Erzgebirges ein komplettes echtes Exemplar steht, muss kein Mensch mehr nach Sankt Petersburg reisen.

Deshalb: Pssst. Behalten Sie alles, was Sie von mir erfahren haben, für sich. Nur wenn keines der anderen Zimmer je gefunden wird, haben wir die Chance, die Welt zu retten. Oder wenigstens das Leben der Schatzgräber. Die Wahrheit darf unter keinen Umständen ans Licht kommen. Halten Sie dicht! Gemeinsam sind wir stark.

 

P.S.: Gerade als ich los wollte, den Bürgermeister zu warnen, dass er um Gotteswillen nicht weiter sucht, kam meine Frau ins Arbeitszimmer und hielt mich zurück. Sie maulte, dass ich immer noch faul rumsäße.

Meine Bitte. Wenn Sie das hier lesen, rufen Sie den Bürgermeister für mich an und erklären Sie ihm alles. Ich muss erstmal staubwischen, kehren, Blumen gießen, Geschirrspüler ausräumen, Keller aufräumen, …